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Der gasfreie Camper: Realistisch oder Zukunftsmusik?

Magda Lehnert |

Immer mehr CamperInnen wünschen sich Unabhängigkeit vom Gas, wenn nicht sogar ein gänzlich gasfreies Reisemobil. Erste Modelle wie der WEINSBERG CaraCito sind bereits am Markt. Doch wie realistisch ist komplett gasfreier Camper wirklich, welches Elektrizitäts-Setup ist von Nöten und welche Kosten entstehen? In diesem Beitrag liest du detailliert, wie und unter welchen Umständen du Heizung, Kochfeld und Kühlschrank durch elektrische Geräte ersetzen kannst und welche Vor- und Nachteile die elektrischen Alternativen haben. Am Ende findest du außerdem eine Beispielrechnung für einen gasfreien Camper.


Wo im Camper Gas eingesetzt wird

Handelt es sich nicht gerade um einen individuellen Ausbau oder kleinen Kastenwagen, gibt es normalerweise drei gasbetriebene Geräte im Reisemobil: 

  • Die Heizung/Warmwasserversorgung (meist ein Kombigerät),
  • den Absorber-Kühlschrank,
  • und den Gaskocher. 

Entsprechend sind Wohnmobile und Wohnwagen standardmäßig mit einem Gaskasten ausgestattet, sodass – im Normalfall – zwei Gasflaschen á 11 kg Füllgewicht mitgeführt werden können, um die Versorgung aller Geräte zu gewährleisten. Dabei hat man die Wahl zwischen Tauschflaschen, die bei Händlern getauscht oder neu befüllt werden müssen und Gastankflaschen, die man an der Tankstelle selbst befüllen kann.

Warum Reisemobile (bisher) vorrangig mit Gas betrieben werden

Bisher werden Reisemobile vorrangig schlicht aus dem Grund mit Gas betrieben, da kein anderer Energieträger, der im Camper infrage kommt, eine so hohe Energiedichte hat. Ein Kilogramm Gas entspricht in etwa 13 kWh, während ein Kilogramm AGM-Batterie gerade einmal 0,041 kWh entspricht und eine Lithiumbatterie 0,1 kWh. Mit einer Standard-Gasflasche mit 11 kg Füllgewicht stehen demnach 143 kWh zur Verfügung. Für dieselbe Menge Energie müsste man eine 200-Ah-Batterie ganze 56 mal komplett laden. 

Darüber hinaus ist Gas auch noch kosteneffizienter als Diesel und Strom, zumindest solang der Strom nicht über Solarpaneele oder während der Fahrt über die Lichtmaschine gewonnen wird.

Welchen Grund sollte es also geben, Gasheizung, Gaskocher und Absorberkühlschrank durch strombetriebene Geräte ersetzen?

Gründe, warum sich immer mehr CamperInnen für gasfreie Geräte entscheiden

Die Gründe, weshalb CamperInnen dennoch nach Alternativen suchen, sind vielfältig. Während die einen an die CO2 Emission denken, ist es für andere, die ausschließlich auf Campingplätzen stehen und immer Landstrom zur Verfügung haben, schlicht die günstigere und bequemere Variante, wenn die Geräte per Strom betrieben werden. 

Zudem bedeutet ein gasfreier Camper die Unabhängigkeit von Gasflaschen, was je nach Land die Reise sehr viel leichter macht, da nicht überall die Gasflaschen wiederbefüllt werden dürfen, sondern einheimische Flaschen genutzt werden müssen. Mal ganz davon abgesehen, dass es auch ziemlich nervig sein kann, immerzu auf Gas-Suche gehen zu müssen und die wertvolle Urlaubszeit mit Fahrten zur nächsten Verkaufsstelle zu verbringen.

Am häufigsten ist es jedoch das Argument der Sicherheit: Auch wenn dank Gasprüfung, Crashsensoren, Schlauchbruchsicherungen und Gasregler Unglücksfälle extrem selten sind, handelt es sich bei Butan und Propan um ein leicht entzündliches und hoch explosives Gemisch. Umso verständlicher, wenn man dieses Risiko reduzieren oder am liebsten ganz vermeiden möchte. 

Hinzu kommt natürlich, dass auch, wenn Gas heute noch zur Genüge verfügbar ist, es sich dabei um einen fossilen Brennstoff handelt, der früher oder später zur Neige geht – sicherlich nicht ohne vorherige Preissteigerung. Die Zeitspanne, die ExpertInnen voraussagen, bis dieser Punkt erreicht ist, liegt bei gleichbleibendem Verbrauch bereits bei weniger als 100 Jahren. Entsprechend ist die Weiterentwicklung hin zum elektrifizierten Camper nur die logische Konsequenz. 

Alle gasbetriebenen Geräte und ihre strombetriebenen Alternativen im Überblick

Heizung / Warmwasser

Heizung und Warmwasser lassen sich mehr oder weniger einfach ersetzen. Da es noch keine rein elektrische Heizung gibt, bestehen zwei Möglichkeiten: Ein rein strombetriebenes Klimagerät, das auch heizen kann oder eine Dieselheizung, mit der du deinen Camper gleichzeitig mit warmem Wasser versorgen kannst. Welche Variante für dich infrage kommt, hängt vor allem von deinen Motiven ab, weshalb du dich für die Umrüstung entscheidest; maßgeblich aber auch von deinen Reisezielen bzw. der Jahreszeit, in der du unterwegs sein willst. Fährst du häufig in nördliche Gefilde oder reist auch im Winter, ist ein strombetriebenes Klimagerät nicht die richtige Wahl.

Alternative 1: Klimageräte mit Wärmepumpenfunktion 

Vorteile

Nachteile

+ kühlt und heizt
+ je nach Modell leiser Betrieb mit Sleep-Funktion
+ extrem praktisch, wenn man oft Landstrom nutzt und nicht im Winter reist 

- teuer in der Anschaffung
- die meisten Modelle wie Truma Aventa Comfort heizen nur bis 5°C, nicht mehr, wenn die Temperaturen tiefer fallen (ungeeignet für Wintercamping)
- Position am Dach zum Kühlen ideal, zum Heizen jedoch ungeeignet

- aufgrund von Position und Leistung mäßig effizient


Alternative 2: Dieselheizung (mit Warmwasser-Boiler)

Vorteile

Nachteile

+ extrem effizient bei einem Verbrauch von 0,1 - 0,4 Litern/Stunde

+ können je nach Modell mit Zubehör zum Haare föhnen genutzt werden
+ kein nennenswerter Stromverbrauch, lediglich zum Starten/Betrieb des Bedienteils

+ erhältlich als Kombigerät mit Warmwasserboiler (Truma Combi 4 D)
+ programmierbar wie jede andere Standheizung

+ kann während der Fahrt betrieben werden (relevant, wenn man im Winter reist und weitere Personen im Wohnraum sitzen, der von der normalen Heizung beim Fahren nicht erreicht wird)

- teurer in der Anschaffung als Gasheizungen
- je nach Modell lauter im Betrieb
- Einbau komplexer, sollte unbedingt von einer Fachwerkstatt durchgeführt werden
- fossiler Brennstoff


Aus der Gegenüberstellung lässt sich ablesen, dass die Dieselheizung in puncto Effizienz und Praktikabilität der elektrischen Lösung weit überlegen ist. Reist man jedoch nicht im Winter und nutzt häufig Landstrom, kann die Klimaanlage-Heizung-Kombination eine überaus praktische Alternative sein. 

Kühlschrank

In puncto Kühlschrank lohnt sich die Umrüstung auf ein elektrisch betriebenes Gerät ohnehin. Stromgespeiste Kompressorkühlschränke sind nicht nur deutlich leistungsfähiger als gasbetriebene Absorber, sondern funktionieren auch zuverlässig während der Fahrt und wenn das Fahrzeug mal nicht horizontal steht. Damit ist es auch nicht mehr zwingend nötig, das Reisemobil tagsüber auf Parkplätzen zu nivellieren. 

Alternative: Kompressorkühlschrank

Kompressorkühlschrank Vorteile

Kompressorkühlschrank Nachteile

+ benötigen nur etwa die Hälfte der Energie, die Absorber verbrauchen 

+ Betrieb mit 12 V und 230 V möglich
+ in der Anschaffung nicht teurer als Absorberkühlschränke
+ zuverlässiger bei hohen und niedrigen Außentemperaturen
+ das Fahrzeug muss nicht nivelliert werden

- oft etwas geräuschvoller im Betrieb als Absorber (moderne Geräte haben einen leisen Nachtmodus)
- kann ausschließlich über Strom betrieben werden, ein Wechsel zwischen Gas- und Strombetrieb wie beim Absorberkühlschrank ist nicht möglich
- eventuell kürzere Lebensdauer als Absorber


Um die Angaben an einem Beispiel etwas konkreter zu machen: Der Kompressor-Kühlschrank Dometic RC 10.4T mit 90 Litern Fassungsvermögen verbraucht 0,42 kW pro Tag. Das entspricht 0,0175 kWh und damit etwa 35 Ah. Zur Orientierung: Die meistverbauten Lithiumbatterien speichern 100Ah.

Gasfrei Kochen im Camper

Während Dieselheizung und Kompressorkühlschrank ernstzunehmende Alternativen sind (wenn nicht bereits die sehr viel effizienteren), bleibt der Herd das “Sorgenkind” des gasfreien Campers. Anders als der Kompressorkühlschrank, kann die elektrische Alternative, das Induktionskochfeld, ausschließlich über den 230 Volt Anschluss betrieben werden bei einem extrem viel höheren Energieverbrauch. Doch werfen wir zunächst einen Blick auf die Vor- und Nachteile:

Alternative Induktionskochfeld

Vorteile

Nachteile

+ schnell und effizient

+ kein Einbrennen beim Überkochen

+ schnelle Abkühlung (mehr Sicherheit)

+ portable Platten sind auch bei Wind uneingeschränkt einsetzbar

- enormer Energiebedarf
- deutlich höhere Anschaffungskosten als ein Gaskocher
- setzt einen Anschluss voraus, der mit min. 6 Ampere abgesichert ist


Nimmt man als Referenzwert zum Beispiel den Induktionsherd CVI1525 von Dometic mit einer Leistung von 2300 W heran, bedeutet eine halbe Stunde Nutzung pro Tag einen Verbrauch von 1.150 Wh. Bezogen auf die 12-V-Bordspannung ergibt sich ein Kapazitätsbedarf von 95 Ah pro Tag allein durch den Induktionsherd. Das entspricht in etwa der gesamten Kapazität einer 100 Ah-Lithiumbatterie.

Vergleicht man mit dem Dometic Gaskocher HBG 2335 ergibt sich bei einem Maximalverbrauch von 116,8g/h bei einer halben Stunde Nutzung eine Gasmenge von etwa 58 g – ein winziger Bruchteil der 11 kg Flasche.

Diese Werte gegenübergestellt, ist offensichtlich: Ein Induktionskochfeld eignet sich eigentlich nur, wenn man vorrangig auf Campingplätzen steht und Landstrom zur Verfügung hat. Andernfalls braucht es ein extrem leistungsstarkes Elektrizitäts Setup, das umso massiver wird, je mehr Tage man autark stehen möchte, ohne dass die Batterie beim Fahren geladen wird. Allerdings gibt es bereits Hersteller wie Thetford, die dieser Diskrepanz mit hybriden Kochfeldern antworten, die sowohl Gaskochfelder als auch ein Induktionskochfeld besitzen.


Beispielrechnung: Dieses Elektronik-Setup braucht ein gasfreier Camper

Gerät (beispielhaft)

Verbrauch

Betriebszeit pro Tag

realer Verbrauch im Camper innerhalb eines Tages

Kühlschrank

(Dometic RC 10.4T)

35 W / Stunde

24 Stunden

420 Wh

Induktionskochfeld
(Dometic CVI 1525)

2300 W / Stunde

0,5 Stunden

1.150 Wh

Heizung
(Alde Compact 3030 HE)

3430 W 

10 Stunden

1575 Wh

Lampen

30 W / Stunde

4 Stunden

120 Wh

Wasserpumpe

40 W / Stunde

0,5 Stunden

20 Wh

2 Telefone aufladen (iPhone 16)

13,9 W / Ladung

einmal täglich

28 Wh

1 Laptop aufladen
MacBook Pro 2024

72,4 W / Ladung

alle 2 Tage

36 Wh

3.349 Wh


Um einen Bedarf von 3.349 Wh pro Tag abzudecken und um auch Heizung und Kochfeld gleichzeitig betreiben zu können, braucht es mindestens einen, besser zwei Wechselrichter mit je 3000 Watt (zum Beispiel Victron Energy MultiPlus 3000VA). Hinzu kommt, dass beim Betrieb eines Wechselrichters ca. 15% Energieverlust durch die Umwandlung eingerechnet werden müssen. Es ergibt sich also ein Tagesbedarf von 3.349 Wh * 1,15 = 3851 Wh. Bei einer 12-Volt-Bordspannung entspricht das einer benötigten Batteriekapazität von knapp 280 Ah. 

Diese Kapazität gilt es nun mit der Anzahl an Tagen zu multiplizieren, die man autark verbringen möchte, ohne die Batterie beim Fahren über den Ladebooster zu laden. Einen Solareintrag lassen wir außen vor, schließlich kann ja auch schlechtes Wetter sein. Rechnet man beispielhaft mit 3 Tagen, sprechen wir nun von einem Gesamtbedarf von 840 Ah. 

So viele Batterien braucht der gasfreie Camper

Damit steht fest: Ein solches Set-Up lässt sich auf keinen Fall mit einer (und auch nicht mehreren) AGM-Batterien abbilden. Was es in jedem Fall braucht, ist eine Umrüstung auf Lithiumbatterien. Doch selbst wenn man bedenkt, dass Lithiumbatterien deutlich effizienter sind (Nutzkapazität Lithium 90%, AGM 50%), würde man nach unserer Beispielrechnung neun Batterien á 100 Ah benötigen, wobei eine Batterie 13,5 Kilogramm wiegt und etwa 800 Euro kostet.

Mit anderen Worten: Ein Szenario, in dem man alle Geräte im Camper über mehrere Tage hinweg ausschließlich gasfrei betreibt, bedarf vermutlich eines Anhängers, nur um alle Batterien mitführen zu können, mal ganz davon abgesehen, dass beide Wechselrichter und die neun Batterien zusammen in etwa 8000 Euro kosten würden – ohne Installationskosten. Ganz gasfrei wäre unser Beispiel-Camper dann aber immer noch nicht, da die Alde Compact 3030 Heizung immer noch Gas benötigt.


Der gasfreie Camper: Zukunftsmusik oder sinnvolle Entscheidung?

Wie sinnvoll ist es nun, den Camper komplett auf elektrische Geräte umzurüsten, ist in Hinblick auf das massive Elektronik-Set Up mehr als fraglich – sowohl hinsichtlich des Platzes, den die schweren Batterien benötigen würden, als auch hinsichtlich der Kosten. Auch spezielle Situationen wie zum Beispiel Wintercamping mit extrem hohem Gasverbrauch für die Heizung sprechen gegen die rein gasbetriebene Variante.

Aus diesen verschiedenen Gründen entscheiden sich fast alle CamperInnen aktuell am ehesten für hybride Nutzungsformen, wobei meist eine Dieselheizung (manchmal auch Diesel- und Gasheizung) verbaut sind, ein elektrischer Kompressor-Kühlschrank und ein Gasherd. 

Dass gasfreie Camper jedoch die Zukunft sind, bedingt sich schon durch die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe, ebenso zeigen auch heute schon Modelle wie der WEINSBERG CaraCito oder erste Modelle von Adria, Hobby und Sterckeman, dass diese Zukunft nicht mehr lang hin ist.

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